Rede bei BDK Hamburg: Keine Waffenlieferungen für Krisengebiete

Zum Abschluss der Bundesdelegiertenkonferenz in Hamburg diskutierten die Grünen über die Zukunft der europäischen Friedenspolitik. Frithjof Schmidt stellte in seiner Rede besonders den CNN-Effekt heraus, der besagt, dass vor allem die Krisen in der Welt diskutiert werden, die auch in den Medien stattfinden. Die Grünen mahnt er, die andere – wie in Südsudan, Zentralafrika oder Darfur – nicht zu vergessen. Wir müssen den Überblick wahren und langfristig denken, vermeintlich kurzfristige Maßnahmen wie Waffenlieferungen schaden auf Dauer mehr als sie nutzen. https://www.youtube.com/watch?v=QWdYkljYukc Redemanuskript*  für die BDK Hamburg  am 23.11.2014

Liebe Freundinnen und Freunde, was genau ist der CNN-Effekt in der internationalen Öffentlichkeit  – und inwieweit bestimmt er auch unsere grünen Debatten über Außenpolitik. Das ist die Frage, die ich mir in den letzten Monaten immer drängender stelle. Die ganze Nachbarschaft der Europäischen Union ist gerade im politischen Umbruch. In großen Teilen des Nahen Ostens und auch in Afrika nördlich des Äquators bricht die postkoloniale Ordnung praktisch zusammen. Ganze Staaten befinden sich in Auflösung. Terroristische Gruppen wie der sogenannte  Islamische Staat in der Levante,  wie Boko Haram in Nigeria oder Al Schabab in Somalia versuchen in dieser Situation einen islamistischen Gottesstaat zu errichten. Es ist ganz schwer, das alles noch genau zu verfolgen. Der Fokus der Berichterstattung liegt gerade auf Syrien und dem Irak. Das prägt unsere Debatten ganz intensiv. CNN-Effekt – das heißt, wenn CNN nicht mehr berichtet über Krisen und betroffene Länder, dann diskutieren auch wir Grüne kaum noch darüber. Die UNO hat gegenwärtig für vier Krisen die höchste Alarmstufe ausgerufen, den Level 3. Das betrifft den Irak und Syrien, aber auch  Zentralafrika und den Südsudan. Die letzten zwei sind aus der Berichterstattung – und auch aus unserer grünen Diskussion – fast verschwunden. Wir reden hier über ein geografisch eng zusammenhängendes Gebiet, indem – wenn man die Region Darfur noch dazu nimmt – über 5 Millionen Menschen auf der Flucht sind, in dem weit über eine Million vom Hungertod bedroht sind. Ein Gebiet, in dem über 30.000 UN-Blauhelme im Einsatz sind und die es doch kaum schaffen die Lage auch nur zu stabilisieren. Darunter übrigens 31 Bundeswehrsoldaten. Ihre Mandate haben wir im Bundestag gerade verlängert. Ich habe nur wenig Redezeit, aber ich finde, dass muss hier angesprochen werden. Versteht ihr, warum wir alle darüber kaum diskutieren? Diese selektive Wahrnehmung ist ein zentrales Problem unserer außenpolitischen Diskussion. Wenn wir uns den ganzen Krisenbogen vom Atlantik bis zum Indischen Ozean, von Nordafrika bis nach Afghanistan vergegenwärtigen, dann wird klar, dass es meistens  keine einfachen und schnellen Lösungen geben wird. Wir müssen uns langfristig auf mehrere große Herausforderungen einstellen:

  •  Die Zahl der Flüchtlinge, die in die Europäische Union durchkommen, die wird weiter steigen.
  • Wir brauchen eine grundlegende Neuausrichtung der europäischen Flüchtlingspolitik. Das ist zentral.
  •  Wir müssen dafür einstehen, dass unsere Europäische Union – trotz der großen Probleme die da existieren – ihrer Schutzverpflichtung für diese Flüchtlinge hier nachkommt. Da berühren sich Außenpolitik und Innenpolitik.
  •  Wir müssen den Zustrom von Waffen in diesen Krisenbogen soweit irgend möglich einschränken, begrenzen und unterbinden.Waffen wandern.  Vieles von dem,  was nach Libyen  oder Algerien, nach Syrien oder den Irak oder nach Nigeria oder den Kongo an Waffen geliefert wurde, das begegnet uns in den aktuellen Kämpfen in anderen Händen wieder.

 

Ich bin zutiefst davon überzeugt: der Waffenexport ist ein Kernpunkt der Probleme und nicht Teil der Lösungen. Das kann sich im Einzelfall als ein ganz schwieriges Problem  stellen,  ja,  aber wir sollten hier einen klaren Kurs halten: Keine Waffenexporte in Krisengebiete – das ist und bleibt richtig.

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

 

die Vereinten Nationen, mit all ihren Schwächen und Widersprüchen, sind die notwendige globale Instanz  zur Krisenprävention und zur Konfliktbearbeitung.Die Alternative zur UNO kann immer nur eine bessere UNO sein. Deswegen gehört die Stärkung der Vereinten Nationen weiterhin – und noch mehr als bisher – ins Zentrum unserer außenpolitischen Anstrengungen. Das bedeutet mehr Mittel und mehr Engagement.

 

Ich wünsche mir, dass wir gemeinsam in unserer Gesellschaft dafür streiten. Danke für die Aufmerksamkeit.

(*es gilt das gesprochene Wort)

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