Bundestagsdebatte über Afghanistan-Mandat

Der Bundestag hat in dieser Woche über die Verlängerung des Mandats für den Einsatz Resolute Supporte Mission (RSM) in Afghanistan beraten. Im Rahmen dieser Mission soll die Bundeswehr das afghanische Militär ausbilden. Frithjof Schmidt kritisierte in seiner Rede, dass ein Abrutschen in einen erneuten, längerfristigen Einsatz droht. Auch kann nicht ausgeschlossen werden, dass Bundeswehrsoldaten in direkte Kämpfe verwickelt werden, da das neue Mandat die Begleitung von afghanischen Truppen in Kampfeinsätze ausdrücklich zulässt.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind uns mit den Regierungsfraktionen einig, aber, wie ich glaube, auch mit der Linken, dass die zivile und entwicklungspolitische Unterstützung Afghanistans uneingeschränkt fortgesetzt werden muss. Hier stimmen wir in den politischen Zielen und Maßnahmen überein, und das ist gut. Ich glaube, das ist ein wichtiges Signal, das nach Afghanistan gesendet werden sollte.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Vor einem Jahr hat meine Fraktion dem militärischen Mandat für Resolute Support mit großer Mehrheit nicht zugestimmt. Ich habe damals kritisiert, dass der Mandatstext gefährlich ungenau ist. Ich habe die Sorge formuliert, dass ein Abrutschen in einen erneuten, längerfristigen Einsatz droht mit der Verwicklung in Kämpfe ohne Exit-Strategie, also das, was man auf Englisch einen Slippery Slope nennt. Sie von den Regierungsfraktionen haben das weit von sich gewiesen. Und nun kommt es genau so. Deshalb verändern Sie jetzt das Mandat in zentralen Punkten. Sie haben beim Abzug von ISAF versprochen, dass diese Ausbildungsmission nach zwei Jahren, 2017, endet. Damit haben Sie für Akzeptanz geworben. Davon ist jetzt nicht mehr die Rede. Das Ende des Einsatzes wird bewusst offengelassen; etliche Jahre mehr stehen im Raum. Im alten Mandat gab es ausdrückliche Restriktionen für die Begleitung von afghanischen Verbänden in Einsätze. Diese haben Sie bei diesem Mandat herausgestrichen. Jetzt ist im Mandat ausdrücklich die Begleitung der zu beratenden afghanischen Einheiten durch deutsche Kräfte vorgesehen. Das ist eindeutig. Wenn afghanische Spezialkräfte ausgebildet oder beraten werden – das sieht das Mandat vor -, dann werden sie auch in ihren Einsatz begleitet. Das ist natürlich in der Regel ein Kampfeinsatz. Was denn sonst? Sie passen sich damit der erklärten Praxis der USA an, sich doch wieder direkt an der Aufstandsbekämpfung zu beteiligen. Dieser Einsatz – darüber sollte man hier nicht hinwegreden – verändert damit seinen Charakter. Wenn Sie das in das Mandat schreiben, dann sollten Sie hier auch dazu stehen und nicht wie Sie, Herr Brauksiepe, sagen: Das ist keine Combat Mission. – Das stimmt nicht mehr.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Resolute Support wird so immer mehr zu einer reduzierten Fortsetzung von ISAF, nur mit stärkerem Schwerpunkt auf der Aufstandsbekämpfung. Sie erhöhen die Zahl der eingesetzten Bundeswehrsoldaten von 850 auf 980. Teilweise werden damit finnische und dänische Soldaten ersetzt, die von ihren Ländern abgezogen werden, weil diese ihre Truppen reduzieren; teilweise soll die Zahl der Berater erhöht werden, die mit den ausgebildeten Spezialkräften in Einsätze ziehen. Erhoffen Sie sich davon ernsthaft einen wichtigen Beitrag zur militärischen Stabilisierung der Lage Afghanistans? Ich kann nicht glauben, dass Sie das glauben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Noch vor drei Jahren waren über 100 000 NATO-Soldaten im Land präsent. Insgesamt sind rund 350 000 afghanische Sicherheitskräfte ausgebildet und ausgerüstet worden. Die rund 12 000 verbliebenen Soldaten von RSM sollen jetzt schaffen, was ISAF in all dieser Zeit nicht geschafft hat?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Afghanistan befindet sich in einer politischen Führungskrise. Präsident Ghani und Premier Adullah bekämpfen sich politisch. Sie können sich nach einem Jahr nicht auf einen Verteidigungsminister einigen. Afghanistans Armee ist nicht zu klein, sondern politisch führungslos. Das ist das zentrale Problem.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das lässt sich nicht militärisch lösen. Ja, in dieser Lage nehmen Einfluss und Stärke der Taliban in vielen Regionen weiter zu. Herr Jung hat vorhin einen Zwischenruf gemacht und gesagt, 80 Prozent von Afghanistan wären befriedet und stabil. Ich weiß nicht, woher Sie das haben. Ich kenne niemanden, der das glaubt.

(Dr. Franz Josef Jung (CDU/CSU): Hundertprozentig!)

So ist es nicht. Die Sicherheitslage verschlechtert sich, aber das ändern ein paar Hundert Ausbilder mehr ebenso wenig wie die Rückkehr zu Kampfeinsätzen durch die relativ kleine RSM-Truppe.
Der Schlüssel bleibt die politische Lösung, und zwar sowohl innerhalb der afghanischen Regierung das ist eine ganz wichtige Frage als auch in Verhandlungen mit den Taliban. Wenn das nicht geschieht, wird es nichts ändern, ob Sie die Zahl der Soldaten ein bisschen rauf- oder runtersetzen oder die Zahl der Kampfeinsätze ein bisschen intensivieren. Es ist eine Fiktion, dass Sie damit einer Lösung auch nur einen einzigen Schritt näherkommen. Ich finde, das sollte man klar aussprechen und nicht der Bevölkerung Sand in die Augen streuen, man hätte hier eine praktische Lösung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Ich kann meiner Fraktion auch diesmal eine Zustimmung nicht empfehlen.
Abschließend möchte ich die Bundesregierung auffordern, sich für eine unabhängige Untersuchung der tragischen Bombardierung des Krankenhauses von Ärzte ohne Grenzen in Kunduz einzusetzen. Machen Sie deutlich, dass Sie ein Interesse an der Aufklärung haben, selbst wenn dies mit unangenehmen Wahrheiten verbunden sein sollte!
Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

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