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Persönliche Erklärung von Frithjof Schmidt zum Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr

Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Frithjof Schmidt, Jürgen Trittin, Beate Müller-Gemmeke, Chris Kühn, Claudia Roth, Corinna Rüffer, Erhard Grundl, Filiz Polat, Katja Dörner, Kirsten Kappert-Gonther, Margit Stumpp, Sven Lehmann, Sven-Christian Kindler, Uwe Kekeritz, Irene Mihalic, Lisa Badum, Katja Keul

Die Entscheidung über Auslandseinsätze der Bundeswehr gehört zu den schwierigsten Entscheidungen, die Abgeordnete des Deutschen Bundestages zu treffen haben. Der Einsatz von Militär kann immer nur äußerstes Mittel zur Gewalteindämmung und Friedenssicherung sein. Militär kann bestenfalls ein Zeitfenster für Krisenbewältigung schaffen, nicht aber den Frieden selbst.

Beim bisher längsten Auslandseinsatz deutscher Soldat*innen in Afghanistan gab es jahrelang eine Dominanz militärischer Zielsetzungen gegenüber zivilen Lösungsansätzen und ein fehlendes entwicklungspolitisches Konzept. Schon seit langem war klar, dass die Strategie, vorrangig mit militärischen Mitteln eine Friedenslösung erzwingen zu wollen, gescheitert ist. Nicht zuletzt die Capture-or-Kill-Operationen und die gezielten Tötungen durch Drohnenangriffe der USA forderten immer wieder zivile Opfer und haben das Vertrauen der afghanischen Bevölkerung in die internationale Präsenz untergraben. Eine politische Lösung wurde dadurch in den letzten Jahren enorm erschwert. In der Realität ist die Strategie, Afghanistan eine Perspektive gegen oder ohne die Taliban zu geben, gescheitert.

Die massiven und sprunghaften Veränderungen der Strategie der amerikanischen Streitkräfte unter der Trump-Administration haben die Lage massiv verschärft. Bereits am 21.08.2017 hat US-Präsident Donald Trump seine Afghanistan-Strategie in den Worten zusammengefasst: „We are not nation-building again. We are killing terrorists.“ In einem Zick-Zack-Kurs wurden erst die Kampftruppen und Angriffsaktionen massiv verstärkt, dann ein schneller genereller Abzug in den Raum gestellt und anschließend etwas relativiert. Parallel dazu wurden intransparent verschiedene Gespräche mit Vertretern der Taliban ohne direkte Einbeziehung der afghanischen Regierung aufgenommen. Die NATO wurde jeweils vor scheinbar vollendete Tatsachen gestellt. Von einem partnerschaftlichen Entscheidungsprozess konnte und kann nicht die Rede sein. Die Bundesregierung hat auf alle diese Entwicklungen konzeptlos und ratlos reagiert. Die faktisch unveränderte Fortschreibung des bestehenden Mandates ist ein zugespitzter Ausdruck dieser Konzeptlosigkeit. Diese Bundesregierung ist heute weniger denn je in der Lage, den Zweck dieses Einsatzes klar festzulegen.

Im Bundeswehr-Mandat für RSM ist das Verhältnis zwischen Ausbildung und Training sowie einer möglichen Beteiligung an der Aufstandsbekämpfung nach wie vor nicht eindeutig geklärt. Während pro Ausbilder eine sehr hohe Zahl von Schutzkräften vorgehalten werden muss, bilden diese Ausbilder Einheiten aus, aus denen pro Jahr ein Viertel der Soldaten desertieren. Eine Begleitung von afghanischen Truppen in Kampfeinsätze wird durch die Bundesregierung nicht ausdrücklich ausgeschlossen. Das ursprüngliche Ziel des Nation Buildings findet schon lange nicht mehr statt.

Durch diese Unklarheit im Mandat und die bisherige Ausweitung des US-Kampfeinsatzes besteht weiterhin die Gefahr, dass die Bundeswehr in Operationen offensiver Aufstandsbekämpfung hineingezogen wird. Diese Form des militärischen Vorgehens, die einhergeht mit hohen zivilen Opferzahlen, lehnen wir grundsätzlich ab. Wir halten sie nicht für zielführend, um damit einen nachhaltigen Friedensprozess in Afghanistan zu etablieren. Das weitere Vorgehen seitens der USA ist vollkommen offen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie zugunsten einer Verhandlungslösung mit den Taliban innerhalb kurzer Zeit ihre Truppen abziehen, ist deutlich gestiegen. Gerade vor dem Hintergrund vager Äußerungen wie der von Bundeskanzlerin Angela Merkel nach einer Überprüfung im Falle von Änderungen von US-amerikanischer Seite fehlt jedoch auf deutscher Seite immer noch eine konkrete Abzugsperspektive. Heute ist es nicht mehr eine Frage, ob, sondern wann und wie die internationale Präsenz in Afghanistan endet. Will man dieses geordnet organisieren, bedarf es einer Abzugsstrategie.

Das vorgelegte Mandat ist ein bloßes Weiter-So. Es entspricht damit nicht den Kriterien, die wir an Bundeswehrmandate anlegen. Es ist keine Antwort auf die Realität in Afghanistan. Deshalb lehnen wir dieses Mandat ab. Der Krieg in Afghanistan ist militärisch nicht zu lösen.

Die Bundesregierung muss nun bei allen relevanten Akteuren der in verschiedenen Formaten unkoordiniert ablaufenden Friedensverhandlungen aktiv darauf dringen, das hinreichende Bedingungen für die dringend erforderliche Fortsetzung von humanitärer Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit gesichert werden. Gerade nach möglichen Schritten hin zu einer politischen Befriedung muss alles getan werden, um die zivile Unterstützung der afghanischen Bevölkerung weiterzuführen.

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