Haushaltsdebatte Etat des Auswärtigen Amts

Die Debatte zum Haushalt des Auswärtigen Amts für das Jahr 2016 stand im Zeichen der vielen Flüchtlinge, die derzeit Europa erreichen oder auf dem Weg dorthin sind. Frithjof Schmidt machte in seiner Rede deutlich, dass die deutsche Außenpolitik derzeit vor Aufgaben und Herausforderungen steht, die uns noch lange beschäftigen werden. Neben der akuten Hilfe für die Flüchtlinge, muss auch die Beseitigung von Fluchtursachen in den Mittelpunkt rücken. Er kritisierte die Bundesregierung dafür, dass sie auch weiterhin Waffen nach Saudi-Arabien liefere. Obwohl das Land sein Nachbarland Jemen bombardiert und dort mittlerweile Millionen Menschen auf der Flucht sind. Außerdem kritisierte Frithjof Schmidt, dass die Bundesregierung noch immer keinen Plan für die Erfüllung des 0,7 Prozent-Zieles vorgelegt hat und stattdessen auf Flüchtlingsabwehr mithilfe des Militärs setzt.

Rede vom 9. September zur Haushaltsdebatte Etat des Auswärtigen Amts:

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Uns erschüttern die Nachrichten und die Bilder zur Situation der Flüchtlinge auf dem Weg zu uns, auf dem Mittelmeer, auf dem Balkan und auch anderswo. Ein Satz, den die Außenpolitiker immer wieder parteiübergreifend gesagt haben, bestätigt sich jetzt viel dramatischer, als die meisten gedacht haben: Wir können und dürfen die Kriege und Krisen der Welt und insbesondere in unseren Nachbarregionen nicht ausblenden; denn sie werden über kurz oder lang buchstäblich nach Europa kommen.

(Beifall der Abg. Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Genau das passiert jetzt.Die postkoloniale Ordnung löst sich in großen Teilen des Nahen Ostens, des nördlichen Afrikas und der Sahelzone auf. Die Europäische Union und, ich glaube, wir alle haben darauf noch keine nachhaltige politische Antwort gefunden. Sicher ist aber, dass es dafür keine schnellen Lösungen gibt und wir uns gemeinsam auf die Suche nach solchen Lösungen machen müssen. Das ist eine große Aufgabe, und das müssen wir den Menschen in unserem Land auch so sagen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Diese Herausforderungen werden uns noch lange beschäftigen, und wir suchen noch nach Lösungen. Umso wichtiger ist jetzt schnelle Hilfe für die flüchtenden Menschen, die auf dem Weg zu uns sind bzw. hier ankommen. Herr Außenminister, deshalb unterstützen wir nachdrücklich die Erhöhung des Etats für humanitäre Hilfe. Wir glauben, dass hier auf lange Sicht noch viel mehr Mittel benötigt werden, als Sie bisher eingeplant haben. Ich will Sie daran erinnern, dass Sie diesen Etat vor einem Jahr um 40 Prozent kürzen wollten. Setzen Sie den Etat dieses Mal realistischer an. Deswegen schlagen wir Ihnen vor, hierfür weitere Mittel einzustellen. Es ist ja jetzt von weiteren 400 Millionen Euro für Flüchtlinge die Rede.

(Frank Schwabe (SPD): Auf einen schon erhöhten Ansatz!)

Sie werden sie brauchen. Unsere Unterstützung dafür hätten Sie jedenfalls. Es gibt in diesem Zusammenhang etwas, das Sie schnell ändern müssen. Es geht um die Möglichkeit, einen Antrag auf ein Visum zu stellen, um durch Familienzusammenführung nach Deutschland zu kommen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Flüchtlinge, die alle Papiere zusammenhaben, müssen bei unseren Konsulaten und Botschaften auf einen Termin für die Antragstellung teilweise zwischen sechs und neun Monaten warten. Es geht hier um Tausende Menschen, die stranden. Ich glaube, Kolleginnen und Kollegen aus allen Fraktionen kennen solche Härtefälle und empfinden sie als skandalös. Nun haben Sie im Nachtragshaushalt 2015 und im vorliegenden Entwurf für 2016 insgesamt 50 neue Stellen beantragt. Das reicht doch in dieser Lage nicht! Ich frage Sie: Warum erst jetzt, und warum so wenig? Das müssen Sie zur Chefsache machen und beschleunigen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Es ist wirklich höchste Zeit dafür. Liebe Kolleginnen und Kollegen, alle sprechen jetzt darüber, dass es darum gehen muss, Fluchtursachen zu beseitigen. Dazu müssen in der Außenpolitik die Konfliktprävention und die Entwicklungspolitik Hand in Hand gehen. Das muss der Außenminister zu seiner Sache machen. Gestatten Sie mir hierzu zwei Bemerkungen. Es ist gut, wenn es in diesem Haushalt deutlich mehr Mittel für die Entwicklungspolitik gibt. Aber es fehlt jede konkrete Überlegung, wie das 0,7-Prozent-Ziel bei der Entwicklungsfinanzierung durch Deutschland mittelfristig erreicht werden soll. Es gibt keinen Aufholplan zur Einhaltung unserer internationalen Verpflichtungen im Rahmen der UNO. Da geht es auch um die Beseitigung von Fluchtursachen. Da tauchen Sie als Außenminister weg.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Außerdem möchte ich die Politik in Bezug auf die Waffenexporte ansprechen. Das hat für die Krisenprävention große Bedeutung. Da werden weiter schwere Fehler gemacht. Nehmen wir das Beispiel Saudi-Arabien das ist von zentraler Bedeutung für den Nahen Osten: Wir liefern Waffen, wir bilden immer noch die Polizei der diktatorischen Monarchen aus, und es gibt von der Bundesregierung keine klare Kritik an den Flächenbombardements im Jemen durch Saudi-Arabien.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Im Jemen sind inzwischen weit über 1 Million Menschen auf der Flucht. Diese deutsche Politik, Herr Außenminister, darf so nicht fortgesetzt werden. Natürlich können wir die aktuellen Probleme nicht allein lösen, aber wir sollten in diesen Fragen eine klare Haltung und eine klare Linie haben. Die vermisse ich bei der Bundesregierung und bei Ihnen, Herr Außenminister. Noch ein Wort zur Seenotrettung im Mittelmeer. Es war ein schwerer Fehler, dass die erfolgreiche italienische Mission Mare Nostrum nicht von der Europäischen Union übernommen und fortgeführt wurde; denn sie hat vielen Menschen das Leben gerettet. Wir haben damals über eine zweistellige Millionensumme geredet.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist gut, dass die Schiffe von EUNAVFOR Med sich jetzt vor allem an der Seenotrettung beteiligen. Wir begrüßen ausdrücklich, dass die Bundeswehr mit zwei Schiffen dabei ist. Wir würden auch ein stärkeres Engagement bei der Seenotrettung unterstützen. Aber ich halte die Annahme für falsch, dass eine Militäraktion in den Gewässern vor Libyen oder an Land in diesem Zusammenhang etwas Positives bewirken kann. Frau Mogherini betreibt das ja energisch, und die Bundesregierung sollte dem eine klare Absage erteilen. Das Flüchtlingsdrama im Mittelmeer lässt sich nicht militärisch lösen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie der Abg. Dr. Ute Finckh-Krämer (SPD))

Angesichts der dramatischen Lage an den europäischen Außengrenzen treten viele andere Themen in den Hintergrund. Ich möchte aber noch ein wichtiges Politikfeld ansprechen. Was die Gespräche über das Transatlantische Handels- und Investitionsabkommen betrifft: Da geht es natürlich auch um eine zentrale Frage unserer Beziehungen zu den USA. Das fällt auch in Ihr Ressort, Herr Steinmeier; auch wenn Sie häufig den Anschein erwecken, als hätten Sie mit dem Thema eigentlich gar nichts zu schaffen. Da wird unter der Überschrift „Regulatorische Kooperation“ über eine Art Handelsverträglichkeitsprüfung für jede ordnungspolitische Maßnahme in der EU und den USA verhandelt. Das kann die systematische Unterordnung von Standards unter Handelsinteressen bedeuten. Die vorgesehenen außergerichtlichen Schiedsgerichtsverfahren mit wechselseitigen Schadenersatzklagen gegen neue Gesetze würden in der Bevölkerung in Europa und in den USA eine zerrüttende politische Wirkung für die transatlantischen Beziehungen haben. Sie sollten darüber einmal mit amerikanischen Gewerkschaftlern und Gewerkschaftlerinnen reden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Es ist auch eine außenpolitische Aufgabe, das zu verhindern.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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