Jeffery Wong/flickr CC BY-ND 2.0

Die demokratische Transformation im Sudan unterstützen – Wiederaufnahme der Entwicklungszusammenarbeit mit dem Sudan auf den Weg bringen

Bei der heutigen Plenarsitzung des Deutschen Bundestags sprach Frithjof Schmid für seine Fraktion zum Antrag der Bundesregierung über die Fortsetzung der Bundeswehrbeteiligung an dem Einsatz der Afrikanischen Union und der Vereinten Nationen in der westsudanesischen Provinz Darfur UNAMID.

Dr. Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, es ist ein kleines politisches Wunder. Was so lange fast unmöglich schien, haben die friedlichen Proteste im Su-dan, getragen vor allem von Frauen und der Jugend, im letzten Jahr möglich gemacht: Diktator al-Baschir wurde abgesetzt und eine demokratische Transformation einge-leitet. Und vorgestern hat die Übergangsregierung be-schlossen, Baschir an den Internationalen Strafgerichts-hof auszuliefern. Das ist ein großer Erfolg, auch wenn die Entmachtung des bisherigen diktatorischen Regimes bisher höchstens zur Hälfte gelungen ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Im Sudan – ich glaube, das muss man ganz klar sagen – existiert heute so etwas wie eine politische Doppelherr-schaft. Baschirs bisherige Generäle und politische Vertraute kontrollieren nach wie vor wichtige Sektoren der Staatsmacht. Im aktuellen Übergangsrat finden sich wei-terhin einflussreiche Akteure wie Milizenführer „Heme-ti“, die versuchen, die zivile Regierung zu sabotieren, und die in der Tat eine extreme Bedrohung für die Durch-setzung einer vollständigen Demokratisierung darstellen. Ihnen darf nicht das Feld überlassen werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)

Sich das klarzumachen, ist von zentraler Bedeutung, wenn wir darüber reden, was die internationale Gemein-schaft jetzt tun kann und muss.Die demokratischen Kräfte in der neuen Regierung haben neben dem Kampf um die weitere Demokratisie-rung auch die Aufgabe, die alten, ungelösten gesell-schaftlichen Probleme des Landes jetzt endlich zu lösen und zu bearbeiten: die katastrophale wirtschaftliche Situation, die gewaltsamen Konflikte in Darfur, in Südkor-dofan und in der Region Blauer Nil und die verheerenden Auswirkungen der Klimakrise in der gesamten Region. Umso wichtiger ist, dass die internationale Gemein-schaft, insbesondere die Europäische Union und auch Deutschland, die demokratischen und friedensfördernden Kräfte im Sudan ganz gezielt in diesem schmalen Fenster der Gelegenheit, das jetzt politisch entstanden ist, aktiv unterstützt. Ich glaube, Frau Buchholz, das ist entscheidend. Ich kann nicht verstehen, dass Sie sozusagen dem Gesamtprojekt der Vereinten Nationen ablehnend gegen-überstehen. Es ist eine schwierige Situation; aber genau diese Kräfte müssen politisch unterstützt werden, und dazu muss die UNO unterstützt werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Deswegen ist es das politische Gebot der Stunde, die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit mit dem Sudan, die über 30 Jahre ausgesetzt war, wieder aufzunehmen. Meine Damen und Herren von der Koalition, es ist gut, dass Sie das in Ihrem Antrag auch so sehen. Allerdings ist bisher nicht klar, mit welchen politischen Bedingungen Sie eine längerfristige Entwicklungszusammenarbeit verbinden wollen. In der Situation der faktischen politischen Doppelherrschaft, in der sich das Land befindet, ist es aber unabdingbar und zentral, wenn wir sicherstellen wollen, dass die Leistungen und die Gelder tatsächlich dem demokratischen Wandel im Land zugutekommen.Deswegen formulieren wir in unserem Antrag Erwar-tungen. Wir wollen Fortschritte bei Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie, bei der gleichbe-rechtigten aktiven Teilhabe von Frauen und marginali-sierten Gruppen am Transformationsprozess, bei der Gestaltung eines sogenannten Transitional-Justice-Pro-zesses, also einer rechtlichen Aufarbeitung der jahrzehn-telangen Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sudan und auch der Gewalt gegen Demonstrantinnen und De-monstranten im Jahr 2019, und bei freien, fairen, gleichen und geheimen Wahlen 2022.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

An diesen Zielen muss sich die Zusammenarbeit orientieren. Deswegen muss übrigens auch Schluss sein mit der falschen Orientierung der bisherigen Politik der Europäischen Union, die das Regime von al-Baschir als Stabili-tätsanker bei der Eindämmung und Abwehr von Migrationsbewegungen aus Afrika nach Europa bezeichnet und gestützt hat.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE])

Ich sage auch ganz klar: Hier vermissen wir bisher eine klare Selbstkritik der Bundesregierung, die diese falsche Politik bis zum Schluss mitgetragen hat. Wenn man jetzt so tut, als hätte man mit al-Baschir gar nicht zusammen-gearbeitet und eigentlich schon immer die demokrati-schen Kräfte im Lande unterstützt, dann ist das, Herr Außenminister Maas, wirklich eine maßlose Übertrei-bung dessen, was da getan wurde; es war anders.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, klar ist für unsere Fraktion auch, dass in dieser Lage die Entscheidung des UN-Sicherheitsrates zur Verlängerung der gemeinsamen Blauhelmmission mit der Afrikanischen Union durch ein technisches Roll-over richtig ist. Deshalb unterstützen wir auch die Mandatsverlängerung für den Einsatz der Bundeswehr, so wie wir den Einsatz bisher immer unter-stützt haben.Gerade in Bezug auf die anhaltenden gewaltsamen Konflikte im Sudan besteht jetzt die einzigartige Mög-lichkeit, ein umfassendes Friedensabkommen zu errei-chen, und zwar für alle Regionen, in denen diese Konflikte stattfinden; das sind mindestens drei.Deshalb muss das politische Engagement der Verein-ten Nationen im Sudan sichergestellt und gestärkt wer-den, auch mit einem dann neu formulierten Blauhelm-mandat, was die UNO ja jetzt im März auch vorlegen will. Das sollte Deutschland dann wirkungsvoll politisch unterstützen.

Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einer Übertragung der Rede aus dem Plenum des Deutschen Bundestags gelangen Sie hier.

Den Antrag der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen zum Vorhaben der Bundesregierung finden Sie hier.

Verwandte Artikel