Afghanistan: Weg zu einer politischen Lösung muss konsequent beschritten werden

Zum zehnten Jahrestag der Intervention in Afghanistan erklärt Dr. Frithjof Schmidt, stellvertretender Fraktionsvorsitzender:

Zehn Jahre internationaler Militäreinsatz in Afghanistan sind eine Geschichte westlicher Fehleinschätzungen und gescheiterer Hoffnungen. Am Beginn stand die Erwartung, der Kampf gegen Al Qaida werde maximal zwei bis drei Jahre internationaler militärischer Präsenz in Afghanistan erfordern. Das erwies sich als Irrtum.

Parallel zum Stabilisierungseinsatz mit UN-Mandat (ISAF) wurde im Rahmen der „Operation Enduring Freedom“ (OEF) massive Aufstandsbekämpfung mit hohen zivilen Opfern betrieben. So sollten auch die Taliban in wenigen Jahren militärisch besiegt werden. Das erwies sich auch als Irrtum. Diese Dominanz des Militärischen wurde begleitet vom weitgehenden Fehlen einer zivilen Aufbaustrategie. All dies bedarf noch einer fundierten, selbstkritischen Aufarbeitung. Erst Präsident Obama hat Ende 2009 die notwendige Konsequenz gezogen und erklärt, dass der Konflikt nicht militärisch zu gewinnen ist und einer politischen Lösung bedarf.

Der mit der Londoner Konferenz Anfang 2010 eingeschlagene Weg, eine politische Lösung zu erzielen, muss trotz aller Schwierigkeiten fortgesetzt werden. Dabei muss insbesondere Pakistan als zentraler regionaler Akteur für eine konstruktive Beteiligung an diesem Prozess gewonnen werden. Der Abzug der internationalen Kampftruppen aus Afghanistan bis 2014 ist beschlossene Sache und muss umgesetzt werden. Eine militärische Lösung der Probleme Afghanistans wird es nicht geben.

Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie mit dem neuen Mandat im Dezember den Abzug der Bundeswehr einleitet, für 2012 eine substantielle Truppenreduzierung vornimmt und die Verstrickung der Bundeswehr in eine offensive Aufstandsbekämpfung im Rahmen des „Partnering“ beendet. Sie muss einen Abzugsplan mit konkreten Schritten bis 2014 vorlegen.

Vor allem aber muss das zivile Engagement für Afghanistan weitergehen. Oft wird übersehen, dass es in Afghanistan auch Erfolge zu verzeichnen gibt. Obwohl Afghanistan nach wie vor zu den ärmsten Ländern der Welt gehört, geht in Teilen des Landes der Aufbau wirtschaftlicher und staatlicher Strukturen voran. Es ist eine mutige, demokratische Zivilgesellschaft entstanden, die nicht ohne Grund die Sorge hat, dass mit den Internationalen Truppen auch die zivile Hilfe das Land verlassen könnte.

Mit dem Abzug der Militärs darf Afghanistan jedoch nicht aus unserem Bewusstsein verschwinden. Deshalb fordern wir klare Zusagen für die Unterstützung Afghanistans nach 2014 durch die internationale Gemeinschaft. Diese Erwartungen richten sich besonders an die internationalen Afghanistankonferenzen, die in den kommenden Monaten in Istanbul und Bonn stattfinden werden.

Dem Einsatz in Afghanistan hat immer eine seriösen Evaluierungs- und Informationspraxis gefehlt. Negative Nachrichten, wie die Verschlechterung der Sicherheitslage im Norden des Landes ab 2006, wurden ausgeblendet. Es ist ein desaströses Zeichen, wenn sich in einer Umfrage 78 Prozent der deutschen Bevölkerung von der Regierung nicht korrekt informiert fühlen.

Wir fordern deshalb seit langem eine unabhängige, fortlaufende Evaluierung der Einsätze. Die Bundesregierung muss hier endlich ihre Verweigerungshaltung aufgeben.

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